Mindfields
Montag, 12. April 2004
further from yesterday nearer the sun

Langsam öffne ich meine Augen. Meine Wangen fühlen sich noch immer feucht an von den Tränen der vergangenen Nacht.

Durch die Fenster schimmert leicht das warme Licht der
Morgensonne und durch die weit geöffneten Fensterflügel
kann man etwas von dem Leben auf den Strassen erahnen.
Ich schließe noch einmal meine Augen und lausche dem leisen,
ruhigen Schlagen meines Herzens.
Wie lange ich so versunken da lag, vermag ich nicht mehr zu sagen.
Als ich meine Augen wieder öffne, fällt mein Blick auf die Zeiger der
Uhr neben meinem Kopf. Und so stehe ich auf, die Decke um
meine Hüften gewickelt, schiebe die langen, im leichten
Morgenwind wehenden Vorhänge beiseite und betrete das Dach.
Ich breite meine Arme aus, lege meinen Kopf in den Nacken und
schließe erneut die Augen. In diesem Augenblick hatte ich das
Gefühl, ein kleines Stück dieser Welt atmen zu können.
Es lag etwas Frühlingshaftes in der Luft. Und dieses Etwas
zauberte ein Lächeln in mein Gesicht. Ich spürte wieder diese
kleinen Tränen auf meinen Wangen, aber diesmal wusste ich, es
sind die Boten von etwas Neuem. Als ich meine Augen wieder öffne
und auf meine Füße schauen will, blicke ich in die geheimnisvollen
Augen des Huskys. Lass uns gehen höre ich mich sagen.

Leise lasse ich die Tür hinter mir ins Schloss fallen.

Ein letzter Blick in den Briefkasten.

Als ich auf die Straße trete, empfängt mich die Welt mit einem
Lächeln auf ihren Lippen. Ich hocke mich neben meinen Begleiter,
streiche ihm liebvoll über den Rücken und kraule ihn hinter seinen
Ohren, was er mit einem sanften Stupsen seiner Nase erwidert.
Und schon laufe ich die Seitenstraße entlang. In meinen Händen
ein kleines Päckchen. They came from the stars. Ich hole den
Schlüssel aus der Hosentasche und öffne den Wagen.
Und mit ihm öffne ich die Tür zu meiner Vergangenheit …

Ich hatte mir den Kopf rasiert und meine Augen schwarz angemalt.
Hatte kurz telefoniert und bin in das Auto gestiegen, welches vor der
Tür wartete. Niemand stellte irgendwelche Fragen. Wir rauchten und
schwiegen. Mein Kopf fühlte sich leer an. Einzig meine Augen hatten
sich ihren Glanz bewahrt.

Zwischen all den Gestalten der Nacht rissen unsere Blicke jedoch
recht bald ab. Und so tauchte ich ein in die wogende Menge, die
sich vor mir auszubreiten begann. Mit jedem Schritt ein wenig mehr.
Und da war es wieder. Dieses Gefühl.
Anfangs spürte ich nur mich und meinen Körper. Diese angenehme
Wärme, die sich langsam, aber doch bestimmt in meinem Inneren
ausbreitete.
Dann, irgendwann, bemerkte ich, wie sich die Grenzen meiner
Wahrnehmung aufzulösen begannen. Wie ich mich aufzulösen
begann. Aufgehend im Licht, in den entgrenzten Körpern der
anderen, in den Berührungen, Küssen, den Schreien,
aufgehend in den Dingen, die meinen Körper auf so
angenehme Art und Weise durchfluteten.
Auf meiner Netzhaut tanzten Millionen und Abermillionen Farben.

Meine Augen. Noch immer geschlossen.

Doch plötzlich spürte ich zwei Hände auf meinen Wangen. So warm.
So sanft. Ich blickte in ein Paar strahlender Augen. Und sah einen
Mund, dessen liebliches Lächeln zu zittern und Worte zu formen
begann und dann immer und immer wieder lieblich lächelte.
Eine der beiden Hände strich über meinen Kopf. Ich schloss
meine Augen und spürte ein Paar warmer, weicher Lippen.
Auf meiner Wange.
Meiner Nase.
Meiner Stirn.
Meinem Mund.

Lea hatte Recht. There's nothing to lose anymore.

Vierzehn Wochen später standen wir zusammen inmitten der
Abflughalle. Wir hielten uns an unseren Händen, schauten uns an
und schwiegen. Ein letzter Kuss. So warm. So weich. So voller
zuckersüßem Schmerz.
Noch lange verharrte ich an einem der riesigen Fenster und blickte
in den zartblauen Frühlingshimmel. Schon vor einer Viertelsunde
war das Flugzeug als kleiner Punkt am Horizont verschwunden.
Doch ich stand noch immer da und schaute in den Himmel.
Regungslos. Benommen. Taub.

Am nächsten Tag hatte ich Geburtstag. Er glich dem Ende der Welt.

...

//wrote by baas on jetzt.de @2004/10/04

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Last modified: 10.12.02, 12:22
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